← Ein Glossar gängiger Begriffe

Einleitung

Muss zeitgenössische Kunst ausschließend sein? Die Verneinung dieser Frage bildet die Grundlage für unsere gemeinsame Recherche und Untersuchung, die wir Art Space Unlimited genannt haben – eine temporäre Kooperation von fünf europäischen gemeinnützigen Kunsträumen, die in dieser Publikation gipfelt. In der gemeinsamen Verpflichtung, andere einzuladen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, war uns klar, dass unsere Arbeit nicht nur darauf abzielen sollte, die Öffentlichkeit (und Gegenöffentlichkeiten, d.h. soziale Bewegungen, Subkulturen oder Menschen, die die vorherrschenden Normen in Frage stellen wollen) einzubeziehen, sondern auch als Gelegenheit zum Lernen dienen sollte. Während des gesamten Prozesses führten wir Diskussionen und lernten eine Menge dazu, aber verlernt haben wir noch viel mehr. Die kulminierten Energien und Erkundungen sind in dieser Publikation festgehalten, in der sich jene Begriffe finden, die uns in diesem Prozess als Leitfaden und Bezugspunkte dienten. Diese Begriffe sind in einem Glossar zusammengefasst, einer Sammlung von Ideen, die wir für grundlegend halten. Dieses Buch soll Kulturarbeiter:innen, -vermittler:innen, -pädagog:innen, Kurator:innen und Künstler:innen sowie allen, die sich ähnliche Fragen stellen, eine Hilfe sein. Wir hoffen, dass die hier vorgestellten Begriffe es anderen ermöglichen, sich mit Fragen rund um die Einladung verschiedenster Publikumsschichten in Kunsträume näher zu befassen und auf der Grundlage ihrer eigenen ganz spezifischen Kontexte und Situationen ihre eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Wir sind uns bewusst, dass viele der Konzepte, mit denen wir arbeiten, von Natur aus einem ständigen Wandel unterworfen sind, und dass unsere Definition oder unser Standpunkt in Zukunft von anderen, vielleicht sogar von uns selbst, in Frage gestellt werden könnte. Ziel des Glossars war es nicht, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, sondern vielmehr die häufige Diskrepanz zwischen Idee und Realität zu erfassen und problematische Denk-, Handlungs- und Kommunikationsweisen aufzuzeigen. Es war eine respekteinflößende Aufgabe, denn für viele der Fragen, mit denen wir konfrontiert waren, gab es keine klaren Antworten oder bewährte Verfahren. Gleichzeitig sind diese Glossarbegriffe eine Antwort auf Fragen, die wir uns selbst stellen mussten, um herauszufinden, was für uns selbst funktioniert. Wir hielten es auch für notwendig, Kontexte zu schaffen und Projekte vorzustellen, die unser Verständnis davon, was es bedeutet, gastfreundlich zu sein, Allianzen zu schließen oder Konflikte im Bereich der zeitgenössischen Kunst zu bewältigen, beeinflussen.

In vielerlei Hinsicht bedeutete dies Übersetzung. Übersetzung von oft überstrapazierten und vagen Begriffen wie Inklusion oder Partizipation in Begriffe, Ansätze und im weiteren Sinne in eine Denkweise, die dem Diskurs, der die kulturelle Debatte im so genannten Westen und im Globalen Norden immer noch beherrscht, kritisch gegenübersteht. Übersetzung des vor uns entwickelten und praktizierten Wissens auf unser Umfeld und unsere lokalen Kontexte. Zu guter Letzt Übersetzung unserer besonderen und konkreten Erfolge und Misserfolge in Worte, in der Hoffnung, dass sie denjenigen, die bei ihren eigenen Projekten und Unternehmungen Orientierung und Rat suchen, eine Hilfe sein können. Es handelt sich hierbei nicht um eine Übersetzung, die eine getreue Wiedergabe des ursprünglichen Gedankens anstrebt, sondern vielmehr um eine sorgfältige Auswahl. Jeder der Begriffe in dieser Publikation stellt einen Akt der Übersetzung der Erfahrungen und des Wissens dar, das eine Organisation durch ihre Teilnahme an Art Space Unlimited und anderen Projekten in diesem Rahmen gewonnen hat.

Das Buch wird im Rahmen von Art Space Unlimited herausgegeben, einem Projekt, das aus dem gemeinsamen Wunsch und Bemühen entstanden ist, die Institutionen für Menschen zu öffnen, die aus den unterschiedlichsten Gründen einen schwierigen, komplizierten, von Behinderungen betroffenen oder eingeschränkten Zugang zur Kunst haben, sei es als Kunstschaffende, Teilnehmer:innen oder Publikum. Das Projekt wurde von den Organisationen tranzit.cz (Prag, Tschechische Republik), < rotor > (Graz, Österreich), OFF-Biennale (Budapest, Ungarn), La Escocesa (Barcelona, Spanien) und Foundation 17 (Pristina, Kosovo) ins Leben gerufen, um unsere institutionelle Praxis zu verändern, damit wir empathischer, verständnisvoller und offener für Menschen mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen, Erfahrungen und Wahrnehmungen werden. Dieses Buch ist ein Versuch, einen Abdruck unserer „Schwarmintelligenz“ zu erstellen, indem es eine Sprache, eine Methodik und Mittel für soziale Interaktionen anbietet, die sich hoffentlich als nützlich für die empathische und beharrliche Produktion von Kulturveranstaltungen und -projekten erweisen werden.

Wir behandeln diese Themen aus der Perspektive von engagierten und selbstkritischen Kulturarbeiter:innen und Praktiker:innen, die andere Praktiker:innen erreichen wollen, die an ähnlichen Themen arbeiten. Obwohl die Begriffe aus akademischen Quellen stammen, beruhen sie in erster Linie auf unseren eigenen Erfahrungen aus der Praxis. Unsere Aufgabe bestand nicht darin, eine feste Größe zu schaffen, sondern die Komplexität von Denken und Handeln anzuerkennen und über die unterschiedlichsten Fragen nachzudenken, die sich bei unseren Begegnungen stellen. Wir laden Sie, liebe Leserinnen und Leser, ein, sich mit diesen Begriffen auseinanderzusetzen, sie zu hinterfragen, sie anzupassen und in Ihrem eigenen Kontext zu verändern.

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