Allianzen

Egal ob als Künstler:in, als Kulturarbeiter:in oder als Kunstinstitution, auf sich alleine gestellt kommt man nicht weit. Und schon gar nicht dann, wenn man mit partizipativ angelegten, sozial engagierten Projekten aktiv ist. Um seine Ziele zu verfolgen ist es ratsam, immer wieder aufs neue Allianzen einzugehen. Das können Zusammenschlüsse sein mit Gleichgesinnten oder ganz bewusst sich ergänzende Positionen. Allianzen werden für unterschiedliche Zeitdauer geschlossen, manche dauern nur solange bis das Projekt fertiggestellt ist, andere entwickeln sich über längere Zeiträume bis hin zum offenen Ende. In jedem Fall brauchen Allianzen Aufmerksamkeit und wollen gepflegt werden.
Wenn man selber die Person ist, die eine Allianz anstößt, dann ist die Chance hoch, dass man die Ziele und Inhalte vollinhaltlich teilt. Wird man jedoch zu einer Teilnahme an einer Allianz eingeladen, dann stellen sich viel mehr Fragen und man muss klären, ob die Ziele und Inhalte mit den eigenen Zugängen und Werten vertretbar sind. Und es wird dann auch zum Thema, wie viel der eigenen Zeit und Energie man einbringen will oder kann.
Da es sich um ein Thema handelt, bei dem wir unbedingt die Perspektiven mehrerer Verbündeter einfließen lassen wollten, haben wir beschlossen, diesen Begriff mit mehreren Stimmen auzuloten. Es folgt ein Auszug aus einem längeren Gespräch zwischen Ajete Kezqeli, Foundation 17, Anton Lederer, < rotor > und Tereza Stejskalová, tranzit.cz über das Thema Allianzen.
Ajete: Wenn es um Allianzen geht, gehen wir mit einem Gefühl der Ausgewogenheit an sie heran und stellen sicher, dass wir weder gänzlich aufgesaugt werden noch völlig unbeteiligt sind. Wir versuchen, uns so weit zu engagieren, um die Dynamik zu verstehen, aber auch den nötigen Abstand zu wahren, um Klarheit und Perspektive zu bewahren. Wir sehen unsere Allianzen als einen langfristigen, stabilen Rahmen, der im Laufe der Zeit gegenseitige Unterstützung bietet. Wir sind zwar immer bereit, in dringenden Fällen sofort zu reagieren, aber wir sind auch bestrebt, einen breiteren, strategischeren Blick zu behalten. Als Foundation streben wir die Zusammenarbeit mit Gruppen an, die proaktiv sind, d. h. die eine Intention verfolgen und Bedürfnisse vorhersehen, anstatt nur zu reagieren. In Anbetracht der Komplexität unserer Aufgaben müssen wir das Risiko eines Burnouts im Kopf behalten, denn das würde unsere Fähigkeit einschränken, einen sinnvollen Beitrag zu leisten und unsere Bemühungen aufrechtzuerhalten.
Anton: Wir haben jetzt über komplexere Allianzen mit vielen Akteur:innen und einer langfristigen Entwicklung gesprochen. Das ist etwas anderes als unser gemeinsames Projekt Art Space Unlimited, das einen klaren Zeitrahmen hat. Die Aktivität findet statt und dann ist sie vorbei. Aber bei diesen Allianzen, um die es im Gespräch ging, wissen wir am Anfang nie, wie lange sie tatsächlich dauern werden. Ich denke zum Beispiel daran, dass das Bündnis gegen die extreme Rechte noch sehr lange gebraucht werden könnte. Dann muss man sich überlegen, wie viel man selbst investiert, wie viel man beitragen kann – um nicht nur einen Monat dabei zu sein, sondern vielleicht für Jahre.
Tereza: Ich habe ein Bild dafür, wovon ihr beide sprecht; es ist die Metapher des abwesenden Vaters. Der abwesende Vater ist nicht da, aber dann taucht er plötzlich auf, bringt eine Menge Geschenke mit, erfüllt alle Wünsche, macht eine Menge lustige Sachen, aber dann wird er dem ziemlich schnell überdrüssig und verschwindet für sehr lange Zeit, vielleicht für immer. In der Zwischenzeit ist die Mutter ständig da, mit ihr ist es nicht so lustig; sie ist ziemlich streng und zieht klare Grenzen dabei, was sie für dich tun kann, aber sie ist da.
Anton: Bin ich die Mutter?
Tereza: Ja, weil Du vielleicht nur überschaubare Beitrage leistest, aber Du bist eine verlässliche Größe – die Leute wissen, dass Du langfristig da sein wirst.
Ajete: Ich betrachte Allianzen als dynamische Partnerschaften. Jede Partei bringt ihre eigene Perspektive und ihre eigenen Prioritäten ein, aber es gibt eine gemeinsame Grundlage, die uns auch immer wieder zu einer langfristigen Zusammenarbeit zusammenführt. Vorübergehende Partnerschaften sind an sich schon wertvoll, können aber ein Schritt zum Aufbau stärkerer, dauerhafterer Allianzen sein. Echte Allianzen gehen über ein einziges Ziel oder einen unmittelbaren Anlass hinaus und konzentrieren sich auf eine nachhaltige Zusammenarbeit über längere Zeit.
Anton: Eine Freundin von mir, die Künstlerin Isa Rosenberger aus Wien, spricht von „temporären Allianzen“. Das ist eine Strategie, die sie für ihre Kooperationsprojekten mit Frauen entwickelt hat. Sie erzählt, dass sie mit manchen Frauen nach einem Projekt weiter befreundet ist, und vielleicht machen sie wieder einmal etwas gemeinsam. Solche temporären Allianzen dauern ein paar Monate, vielleicht ein Jahr, und dann gibt es ein Ergebnis. Und dann könnte es weitergehen, und aus einem vorübergehenden Bündnis kann ein langfristiges Bündnis werden. Einmal haben wir ein feministisches Zentrum hier in der Stadt für ein künstlerisches Projekt eingeladen. Damals konnte man noch nicht von einem Bündnis sprechen, aber jetzt fühlen wir uns dieser Einrichtung schon seit vielen Jahren sehr nahe, und so hat sich schließlich eine Art Allianz ergeben. In anderen Fällen laden wir Menschen zur Zusammenarbeit ein, und danach passiert aus verschiedenen Gründen nichts weiter.
Tereza: Wie kompromisslos sollten wir an unsere Allianzen herangehen? Sollten wir uns immer an unsere Grundwerte halten, oder sollten wir flexibler sein? Seht Ihr Unterschiede zwischen Allianzen mit Menschen aus dem Kunstbereich und Menschen aus anderen Bereichen?
Anton: Es kann gewisse unbewusste Spannungen mit Kolleg:innen aus dem Kulturbereich geben, insbesondere mit jenen, die in derselben Stadt arbeiten. Wir arbeiten auf demselben Gebiet, wir haben Zugang zu denselben Ressourcen und Funds, wir haben zum Teil das selbe Publikum. Ich bemühe mich sehr, diese Atmosphäre zu überwinden, aber sie ist manchmal vorhanden. Als ich ein junger Kulturarbeiter war, habe ich das stärker gespürt; die Spannungen waren früher ziemlich groß, aber in letzter Zeit ist es wesentlich besser geworden. Die jüngeren Generationen sind solidarischer und glauben stärker an Allianzen. Die Zusammenarbeit in Bündnissen mit Organisationen aus anderen Bereichen – wie Bildung oder Jugend, Kultur oder Migration – bringt manche Vorteile mit sich. Man ist neugieriger aufeinander, und es stellt sich das Gefühl ein, dass man mehr voneinander lernt.
Tereza: Es ist ja so, man kennt den Bereich, in dem man tätig ist, aber man weiß vielleicht nicht so viel über andere Bereiche. Im kulturellen Feld nimmt man vielleicht vieles als selbstverständlich hin oder setzt manches voraus. In anderen Feldern gibt es ein Lernprozess. Man lernt, wie es anderswo ist; man hört zu und lernt und setzt nicht so viel voraus.
Ajete: Was wirklich zählt, ist die gemeinsame Dringlichkeit und das Engagement, das hinter einer Allianz steht. Wenn das Ziel für beide Seiten oberste Priorität hat, wird der Bereich, aus dem wir kommen – ob Kunst oder ein anderer Sektor – zweitrangig. Was die Zusammenarbeit antreibt, ist die gemeinsame Entschlossenheit zu handeln.